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08002 Vision Zero

Sind „Null Unfälle” in der Arbeitswelt eine Utopie? Erfindet der Weg zum Ziel der „Vision Zero” den Arbeitsschutz neu, und waren Arbeitsschützer seit der Industrialisierung auf dem falschen Weg? Der Beitrag zeigt, dass „Vision Zero” gleichermaßen neu wie auch bewährt ist, diskutiert die Unterschiede zur bisherigen Prävention und wirft einen Blick auf die Entstehung und Verbreitung dieses Präventionsansatzes.
von:

1 Was ist Vision Zero?

Prozess der Prävention
„Vision Zero” beschreibt verschiedene Ansätze und Strategien zur Vermeidung von Unfällen und Erkrankungen. Im Zentrum allen Handelns stehen das Leben und die Gesundheit des Menschen als höchstes zu bewahrendes Gut. Diese gilt es durch präventive Maßnahmen zu schützen. Grundannahme von Vision Zero ist es, dass alle Unfälle und arbeitsbedingten Erkrankungen durch rechtzeitiges Handeln vermieden werden können. Vision Zero ist ein fortwährender Prozess der Prävention im betrieblichen Umfeld wie in der Gestaltung und Nutzung von Verkehrssystemen.
Entstanden im Verkehr
Ende des 20. Jahrhunderts wurde die „Vision Null” insbesondere durch die Adaption auf den Bereich der Verkehrssicherheit populär. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts findet Vision Zero als Arbeitsschutzstrategie sowohl in Deutschland als auch weltweit zunehmend Beachtung. In der Industrie wird die Perspektive „Innovating to zero” als einer von zehn Megatrends gehandelt, die den größten Einfluss auf Unternehmen und die Gesellschaft in der Dekade zeigen werden. [1]
Breite Unterstützung
Zu den institutionellen Unterstützern zählen die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV), der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR), die Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit (IVSS) und die International Labour Organisation (ILO). Die „G7” oder „Gruppe der Sieben” hat sich anlässlich ihres Gipfeltreffens 2015 zu ihrer globalen Verantwortung und zu Vision Zero bekannt.
Vor allem international agierende Unternehmen verwenden Begriffe wie „Zero Harm” oder „Zero Accident Vision”. Insbesondere „Zero Harm” zielt auf das Befinden des Menschen ab. „Harm” (dt. „Schaden”) umfasst Aspekte wie Erschöpfung, belastenden Stress und Work-Life-Balance, weil für diese Faktoren ein direkter Einfluss auf Unfallwahrscheinlichkeiten angenommen wird. Die Internationale Atomenergie-Organisation IAEA spricht von der „Fitness for duty”, der „Fitness für die Aufgabe”, und bezieht die erforderliche Vigilanz und das nötige Risikobewusstsein für sichere Arbeit ein.

2 Vision Zero und traditionelle Ansätze der Prävention

Kein akzeptiertes Restrisiko
Während die Reduktion von Unfällen und Erkrankungen per Definition das Ziel der Prävention ist, verfolgen Vision-Zero-Ansätze das konsequente und ambitionierte Ziel, Unfälle gänzlich zu vermeiden. Risiken sind ein Bestandteil der Arbeitswelt und des Verkehrs. Vision Zero gründet auf der Überzeugung, dass kein akzeptiertes Restrisiko für Beschäftigte und Verkehrsteilnehmer verbleiben darf, und fordert, Risiken durch geeignete Maßnahmen aufzufangen. Vision Zero ist jedoch nicht allein ein quantitatives Ziel, wie der Begriff mit der enthaltenen „Null” nahelegt, sondern ein fortwährender, integrierter Prozess in allen Bereichen der Wertschöpfung. Bei ihrer weltweiten Präventionsstrategie geht die Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit (IVSS) sogar so weit, explizit auf Schadensereignisse wie Unfälle und Erkrankungen als Indikatoren zu verzichten und stattdessen die Zahl der Unterstützer ihrer Strategie zu messen. [2]
ZAV und HSW
Die Arbeitsschutzforscher Gerard Zwetsloot, Stavroula Leka und Pete Kines [1] haben sich mit Unterschieden zwischen den bisherigen Arbeitschutzmethoden und der „Zero Accident Vision” (ZAV) bzw. „Zero harm for health, safety and well-being” (HSW) befasst. Dabei haben sie 26 Punkte in sechs Bereichen identifiziert. Dazu gehören:
Traditioneller Arbeitsschutz
Vision Zero/ZAV/HSW
Steuerung von Arbeitsschutz
Bekenntnis zum Arbeitsschutz
Arbeitsschutz ist eine Priorität.
Arbeitsschutz ist ein Wert.
Arbeitsschutz ist ein Kostenfaktor.
Arbeitsschutz ist eine Investition.
Regelerfüllung (Compliance): „Wir müssen” (extrinsische Motivation)
Partizipation: „Wir wollen” (intrinsische Motivation)
Sicherheitsrelevante Ereignisse sind Ausdrücke des Versagens.
Sicherheitsrelevante Ereignisse sind Chancen zum Lernen.
Das Verhalten der Beschäftigten (menschliche Fehler) ist Teil des Problems.
Beschäftigte werden befähigt, Lösungen zu entwickeln, und sind Teil der Lösung.
Arbeitsschutz wird durch Experten definiert und vorangetrieben.
Arbeitsschutz wird von Experten sowie allen anderen Akteuren im betrieblichen Umfeld entwickelt und vorangetrieben.
Arbeitsschutzmanagement ist rational.
Arbeitsschutzmanagement ist rational und dabei ethisch begründet.

3 Ursprünge von Vision Zero

Schwarzpulverexplosion
Eleuthère Irénée du Pont de Nemours (1771–1834) wird gelegentlich als Vater der Vision Zero bezeichnet. Der französische Chemiker gründete 1800 in den USA die Firma Du Pont de Nemours. In Wilmington, Delaware, errichtete er die ersten Pulvermühlen. Schwarzpulver wurde in den USA für den Bau von Straßen und Eisenbahnstrecken stark nachgefragt. Die Herstellung war jedoch mit großen Risiken verbunden. Im Jahr 1818 ereignete sich eine Explosion auf du Ponts Werksgelände, die 36 Todesopfer forderte und große Teile des Standorts zerstörte. Nach dem Ereignis protestierten die Bürger von Wilmington nachdrücklich gegen du Ponts Fabrik, da ihnen das Risiko einer weiteren Explosion zu hoch war. Als Konsequenz verankerte du Pont eine neue Sicherheitsphilosophie. Dazu gehörten nicht nur neue Sicherheitsregeln und Investitionen in sichere Produkte und Technik; du Pont forderte auch, dass die Produktionsleiter ihre Wohnungen auf dem Werksgelände in unmittelbarer Nähe der Pulvermühlen beziehen und so ein vitales Interesse an sicherer Produktion entwickelten. [2] E. I. du Pont de Nemours and Company wuchs zu einem internationalen Unternehmen mit mehr als 50.000 Beschäftigten und schaffte es, mit einem tief verankerten Arbeitsschutz führend zu werden.

4 Verbreitung

4.1 Straßenverkehr

In Schweden übertrug 1997 das Verkehrsministerium die Grundzüge der Null-Unfälle-Philosophie offiziell auf den Bereich der Verkehrssicherheit und bezeichnete diese erstmals als „Vision Zero”. „Die Nullvision”, heißt es in einer Veröffentlichung des Schwedischen Zentralamts für Straßenwesen (Vägverket), „ist das Bild einer Zukunft, in der niemand im Straßenverkehr getötet oder so schwer verletzt wird, dass er lebenslange Schäden davonträgt.” [3]

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