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06102 Kennzahlen und Kennzahlensysteme, Teil 2

Dieser zweite Beitrag der Reihe stellt Kennzahlensysteme vor: das Tableau de Bord (TdB), die Balanced Scorecard (BSC) und Prozesskennzahlen. Diese Kennzahlensysteme können von jedem Unternehmen eigenständig und individuell aufgebaut und zur Messung, Analyse, Steuerung, Koordination und fortlaufenden Verbesserung der Unternehmensprozesse, insbesondere auch der Instandhaltungsprozesse, eingesetzt werden.
Arbeitshilfen:
von:

1 Aufbau und Implementierung von prozessorientierten Kennzahlensystemen

In den vergangenen Jahren haben sich branchenübergreifend vor allem zwei Ansätze von modernen Kennzahlensystemen etabliert:
Balanced Scorecard (BSC) und
Prozesskennzahlen.
Daneben existiert ein dritter Ansatz: das Tableau de Bord (TdB). Dieses Kennzahlensystem ist vorwiegend in Frankreich bekannt, wo es bereits seit 1932 unter maßgeblichem Einfluss von Ingenieuren etabliert, weiterentwickelt und bis heute eingesetzt wird. Es wird hier als erstes von drei prozessorientierten und dennoch unterschiedlichen Kennzahlensystemen beschrieben.

1.1 Tableau de Bord (TdB)

In französischen Unternehmen gehört das Tableau de Bord (TdB) zum betriebswirtschaftlichen Standardwissen. Es ist dort ein etabliertes Instrument zur (operativen) Steuerung und Leistungsmessung von Unternehmensprozessen, das stark durch die Denk-, Entscheidungs- und Handlungsweise von Ingenieuren geprägt wurde. Ein kurzer Einblick in die geschichtlichen Hintergründe und die Struktur der französischen Geschäftsführungsebene erklärt den Einfluss der Ingenieure auf das TdB.

1.1.1 Historische Entwicklung des Tableau de Bord

Die Entwicklung des Tableau de Bord geht auf die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 1929 zurück. Diese führte in Frankreich dazu, dass
Unternehmen teilweise verstaatlicht,
Preise staatlich festgelegt und
eine standardisierte Produktkostenrechnung in den Unternehmen eingeführt wurden.
Produktkostenrechnung
Mithilfe der Produktkostenrechnung mussten die Unternehmen gewünschte bzw. notwendige Preisänderungen begründen. Hierzu wurde ein internes Rechnungswesen (Kosten- und Leistungsrechnung) parallel zum externen Rechnungswesen (Finanzbuchhaltung) etabliert. Diese Maßnahmen sollten neben anderen staatlichen Lenkungsmaßnahmen
den Vergleich von Unternehmensdaten (zur Beurteilung von Preisänderungen) vereinfachen,
einen fairen Wettbewerb unter den Marktteilnehmern ermöglichen und
die wirtschaftliche Regeneration Frankreichs sicherstellen.
Bis heute eingesetzt
Das französische Rechnungswesen arbeitet bis heute mit einem staatlich vorgegebenen
Buchhaltungskontenrahmen (ähnlich den deutschen Standardkontenrahmen) und
Standardverfahren zur Produktkostenrechnung.
Bis in die 1970er-Jahre hinein wurden zusätzliche branchenspezifische „analytische Kostenrechnungsrahmen” entwickelt, die eine Kombination aus Kontenrahmen (für die Finanzbuchhaltung) und einem Kostenrechnungsschema (für die betriebliche Kosten- und Leistungsrechnung) darstellen.
Hinweis
Eine Besonderheit französischer Unternehmen war die zumindest bis Mitte der 1990er-Jahre bestehende Dominanz so genannter „Ingenieur-Manager” in der Geschäftsführung. Die Denk-, Entscheidungs- und Handlungsweise von (Prozess-)Ingenieuren führte in den 1930er-Jahren zur Entwicklung und Veröffentlichung des Tableau de Bord (TdB). Hiermit können operative Prozesse zeitnah mithilfe aktueller Statusinformationen gesteuert und Unternehmen mittelfristig in die Lage versetzt werden, Wachstums- und Produktivitätssteigerungen und somit später auch optimale (finanzielle) Ergebnisse zu erzielen.

1.1.2 Kausalmodell und Aufbau des Tableau de Bord

Das Tableau de Bord ist im Gegensatz zur strategisch ausgelegten Balanced Scorecard (BSC) stärker auf die operative Steuerung von Unternehmensprozessen ausgelegt und – wie bereits erwähnt – ein ingenieurmäßiger Ansatz.
Kausalmodell des TdB
Das Kausalmodell des TdB sieht eine vertikale und horizontale Verschachtelung von Einzeltableaus (Kennzahlentafeln) mit personenindividuellen Kennzahlen (Indikatoren) vor.
Vertikale Steuerung
Die Führungskräfte steuern ihren Verantwortungsbereich vertikal durch
Top-down-Delegation von Verantwortung und
Bottom-up-Reporting für die zeitnahe, zügige und gezielte Entscheidungsfindung.
Horizontale Koordination
Gleichzeitig findet eine horizontale Kommunikation und Koordination mit anderen Verantwortungsbereichen statt, um die Unternehmensprozesse in Richtung der übergeordneten Unternehmensziele und -strategie zu steuern.
Abb. 1: TdB-Kausalmodell mit vertikaler und horizontaler Verschachtelung
Pilotage zur zeitnahen und gezielten Prozesssteuerung
Für das Tableau de Bord ist die sogenannte „Pilotage” charakteristisch. Hiermit ist die Prozesssteuerung auf Basis fortlaufend aktualisierter Statusinformationen gemeint, die an die Herangehensweise im Fahrzeug- bzw. Flugzeugcockpit erinnert. Der Fahrer/Pilot konzentriert sich mithilfe des Cockpits auf die wesentlichen, direkt von ihm beeinflussbaren Stellgrößen. Somit ist ein zeitnahes und gezieltes Gegensteuern bei (nachträglich nicht mehr/kaum korrigierbaren) Soll-Ist-Abweichungen möglich.
In einem französischen Grundlagenwerk zum Tableau de Bord wird das Kennzahlensystem folgendermaßen definiert [1]:
Das Tableau de Bord ist ein aktionsorientiertes Instrument zur zeitnahen und schnellen Information („Feststellung, Darlegung des aktuellen Status”), das auf der Definition von Schlüsselentscheidungspunkten und der Verantwortungshierarchie im Unternehmen aufbaut.
Abb. 2: Hierarchiebezogenes TdB-Kausalmodell
Komplexitätsbewältigung
Durch die Konzentration auf das Wesentliche können auch komplexe Systeme zielgerichtet gesteuert, zeitnahe Entscheidungen getroffen und geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Somit kann und soll das Tableau de Bord Entscheidern nicht alle Aspekte eines Systems oder einer Problemstellung darlegen, die von den tatsächlich entscheidungs- und zielrelevanten Informationen – den Schlüsselkomponenten – ablenken würden.

1.1.3 Standardisierte TdB-Implementierungsmethodik

Die Implementierung des TdB folgt einer vorgegebenen Standardmethodik. Die Gründe hierfür liegen in der Entstehungsgeschichte des TdB, die letztlich auf die staatlichen Lenkungsmaßnahmen im Zuge der Weltwirtschaftskrise ab dem Jahr 1929 zurückgeht (siehe oben).

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