-- WEBONDISK OK --

03201 Ersatzteilmanagement – grundsätzliche Überlegungen

Lagerkosten für Ersatzteile sind immer wieder Thema in der Instandhaltung. Es geht um die Fragen: Benötigen wir diese ganzen Ersatzteile überhaupt, sind das nicht Ladenhüter, die nie einer braucht, muss das Ersatzteillager wirklich so groß sein? Auf der anderen Seite ist das Geschrei groß, wenn bei einem Anlagenausfall mehrere Wochen auf ein wichtiges Ersatzteil gewartet werden muss, auch wenn es schon seit Jahren nicht mehr abgerufen wurde.
Es gibt Softwareprodukte, die helfen sollen, für alle Anlagenteile genau die richtige Anzahl von Ersatzteilen vorzuhalten, um dadurch Millionenbeträge einzusparen. Welche grundsätzlichen Überlegungen und Abschätzungen den dabei verwendeten Algorithmen zugrunde liegen und wie man diese Erkenntnisse auch kostengünstig umsetzen kann, wird in diesem Beitrag untersucht und nachvollzogen.
Arbeitshilfen:
von:

1 Ein Beispiel aus der Praxis

Als junger Ingenieur hatte ich gerade den ersten Karriereschritt vom Projektleiter in der Anlagenplanung zum Betriebsingenieur einer Chemieanlage gemacht. Es war eine Konti-Anlage, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche lief und nur einmal im Jahr in einem mehrere Wochen dauernden Stillstand instand gehalten werden sollte. Kam ich morgens zum Betrieb um die Ecke geradelt und die Kreislaufpumpen begrüßten mich nicht mit ihrem Brummen, wusste ich, dass es hektisch werden würde. Störungsbedingte Ausfälle mussten schnell analysiert und die verursachende Komponente so schnell wie möglich repariert werden. Wehe, ein dazu benötigtes Ersatzteil war nicht verfügbar. Dann wurden von der Produktion direkt Ausfallkosten aufgerufen und die Ingenieurtechnik verantwortlich gemacht.
Konkurrenz ums Budget
Lagerhaltung war schon damals ein wichtiges Thema und so gehörte zu meinen Aufgaben ein einmal im Quartal stattfindender Jour fixe mit dem Lagermeister, um die Ersatzteilsituation zu besprechen. Wichtig war das auf jeden Fall, denn zur Behebung von Störungen war es unvermeidlich, Ersatzteile zu bestellen. Diese waren zum Teil sehr teuer und das Budget begrenzt. Zudem galt das Budget für mehrere Bereiche und so brauchte es bei den konkurrierenden Interessen der Kollegen Betriebsingenieure gute Argumente für die Zuteilung daraus.
Zu lange eingelagert und unbrauchbar geworden
Bei einem dieser Treffen mit meinem Lagermeister wies er mich auf drei Kartons hin, erläuterte, dass es sich um Dichtungen für Plattenwärmetauscher handelte, und fragte, was er damit machen solle. Auf meinen verwunderten Blick hin öffnete er einen der Kartons, nahm eine Dichtung heraus und bog die Gummidichtung leicht zwischen den Händen. Dabei zersplitterte die Dichtung. Wie wir feststellen mussten, waren die Dichtungen bereits seit mehreren Jahren eingelagert gewesen und mit der Zeit versprödet, also unbrauchbar geworden. Wir konnten die drei Kartons nur noch entsorgen.
Mengenkauf auf Vorrat
Warum war das passiert? Mein damaliger Abteilungsleiter hatte fünf Jahre zuvor meine Stelle inne und konnte weiterhelfen: Ein Plattenwärmetauscher war undicht geworden, die Anlage musste außerplanmäßig abgefahren werden und es waren keine Dichtungen im Lager. Trotz einer nicht ganz kostengünstigen Eilbestellung musste die Anlage mehrere Tage stillstehen und der Produktionsleiter hat sich beim Leiter Technik offiziell über die Kosten des Produktionsausfalls beschwert. Dies wollte mein Vorgänger für die Zukunft vermeiden, und so orderte er direkt mehrere Kartons der besagten Dichtungen, die im Vergleich zu einem Produktionsausfall wenig kosteten. Diese Kartons kamen dann ins Lager.
Nicht benötigte Mengen
Im weiteren Verlauf ging ich der Frage nach, warum die Kartons im Lager gestanden hatten und die Dichtungen nie genutzt worden waren. Der Lagermeister konnte mir dazu nur sagen, dass der Verbrauch der Dichtungen sehr unregelmäßig war. Also sprach ich mit meinem Produktionsmeister. Der erklärte mir, dass die Plattenwärmetauscher bei einem konstanten Betrieb keine Probleme machten. Nur beim Rauf- und Runterfahren der Anlage könnten Druckspitzen vorkommen, wenn man nicht genau aufpasse. Das habe man aber inzwischen im Griff. Somit wurden die im Lager vorrätigen Mengen an Dichtungen gar nicht benötigt.
Nach der Analyse all dieser Informationen legten der Lagermeister und ich fest, dass wir künftig nur noch einen Dichtungssatz vorhalten würden. Unsere Einschätzung war, dass nach dem Abruf dieses einen Dichtungssatzes genug Zeit zur Verfügung stehen würde, einen weiteren nachzubestellen, um für den darauffolgenden Bedarf sofort ans Lager gehen zu können.

2 Was ist zu prüfen?

Welche Punkte haben wir dabei berücksichtigt? Zunächst ging es um die Frage, ob ein nennenswerter Verschleiß vorlag. Die Gummidichtung war ausreichend beständig gegenüber dem Medium, sodass diese Frage verneint werden konnte. Der unregelmäßige Verbrauch ließ auf ein nicht verschleißbedingtes Versagen schließen, was vom Produktionsmeister bestätigt wurde.
Schwachstelle identifizieren
Nicht bestimmungsgemäße Druckspitzen führten zur Überlastung der Dichtungen und in der Folge zu deren Versagen. Diese Schwachstelle war erkannt worden und sie wurde durch konkrete Betriebsanweisungen zum Rauf- und Runterfahren der Anlage behoben.

Weiterlesen und den „Instandhaltungs-Berater digital“ 4 Wochen gratis testen:

  • Das komplette Know-how in Sachen Instandhaltung
  • Zugriff auf alle Fachbeiträge und Arbeitshilfen
  • Onlinezugriff – überall verfügbar


Sie haben schon ein Abonnement oder testen bereits? Hier anmelden

Ihre Anfrage wird bearbeitet.
AuthError LoginModal